Ist natürliches Sterben möglich?
- Susanne
- 14. Mai
- 6 Min. Lesezeit
Euthanasie ist nur eine Möglichkeit - erster Artikel zur holistischen End of Life-Begleitung

Letzten Montag war ich bei einer Tierärztin, um die Ohren von Leo, meinem Kater, kontrollieren zu lassen. Ich war im Wald unterwegs, als ich eine Frau sah, die ihr Auto am Strassenrand parkte und die Strasse entlang lief, mit etwas fragenden Augen. Im Augenwinkel bemerkte ich ein Rehkitz am Strassenrand und blieb sofort stehen. Ein weiterer Passant stoppte und ich bat ihn, doch den Förster anzurufen. Die Frau und ich gingen zum Kitz, das noch lebte. Sein blutüberströmtes Köpfchen hat es immer wieder aufgehoben und hingelegt. Es atmete ruhig, es war wohl nicht mehr wirklich bei Bewusstsein. Ich rief die Praxis an um zu sagen, dass ich etwas später kommen würde. Das sei in Ordnung, jedoch nicht zu spät, sie "hätten einen dichten Terminplan". Da die Frau mir versicherte, alleine auf den Förster warten zu können, fuhr ich weiter. Mit der Hoffnung, der Förster macht das, was für das kleine Reh das Beste ist - und nicht für ihn.
In der Praxis wurde ich freundlich empfangen, die Untersuchungen wurden gemacht, Fragen gestellt. Obwohl alle präsent waren, merkte ich eine Art Unkonzentration. Ein nicht wirklich auf meine Fragen eingehen, eine Art leichte Abwesenheit.
Ich brachte dann alle meine Tiere ins Auto - meinen Kater, meine Hündin, die auch dabei war. Und bemerkte, wie die TA-Assistentin zwei Frauen vom Auto abholte, die eine Labradorhündin aus dem Auto hoben. Ich sass kurze Zeit später im Auto und sah, wie die offenbar alte Hündin langsam einen Fuss vor sich stellte und dann von der einen Frau aufgehoben und Richtung Eingangstüre getragen wurde. Ich wusste sofort: sie wird euthanasiert werden.
Die Hündin war nicht dünn, wie Hund oft am Ende ihres Lebens sind, entweder weil sie Greis sind oder krank. Sie war wie in Trance, vielleicht hatte sie Schmerzen, sicherlich, vielleicht zeigten sich Nebenwirkungen von Medikamenten. Mein Gedanke war: Muss das wirklich sein? Sie weiss instinktiv, dass sie ihr Heim, in dem sie ein ganzes Leben verbrachte, jetzt nicht mehr sehen wird (oder nicht, das kann auch nur mein Gedanke gewesen sein - auch kann sich alles anders abgespielt haben, was ich schildere sind meine Emotionen und Wahrnehmungen).
Die Tierärztin war vom Schlag "alter Hase". Sehr erfahren, und durch und durch Tierärztin. Und doch habe ich geglaubt zu spüren, dass jetzt ein Prozess ablaufen "muss", der für alle leichtes Unwohlsein auslöst. Tierärzte sind nicht ausgebildet, Menschen in diesen Situationen zu begleiten. Viele machen das aus ihrer eigenen Empathie heraus. Doch eine solche Situation ist - so denke ich - für jeden Tierarzt eine aussergewöhnliche Situation, je nach Tier, Vorgeschichte, je nach Tagesverfassung wird es gemacht, bewusst wahrgenommen oder verdrängt. Wir wissen, dass Tierärzte ihren Beruf oft aufgeben (und die Suizidrate sehr hoch ist). Meine Frage: muss das so sein?

Das Thema ist komplex. Es ist nicht anzuraten, in den sozialen Medien danach zu googeln oder sich in Diskussionen zu verstricken. Dazu ist das Thema zu persönlich und zu stark traumageprägt behaftet. Wer sich dafür interessiert, den lade ich ein, sich mit den Sterbeprozessen auseinanderzusetzen, wie sie vom Tibetanischen Totenbuch und der Chinesischen Medizin (und den indigenen Weisheiten) beschrieben wird. Die Heilpraktikerin Rosina Sonnenschmidt hat darüber geschrieben, sowie auch andere. Und dass es wichtig ist zu wissen, welcher Prozess durch die Euthanasie unterbrochen wird und was dies für das Tier und für den Menschen gleichermassen zu bedeuten hat.
Die Sterbephasen nach Rosina Sonnenschmidt
Die bekannte Homöopathin und Tierheilpraktikerin Rosina Sonnenschmidt, die sich auf eigene Erfahrungen und die indotibetischen „Totenbücher“ bezieht, ist der Meinung, dass der Sterbeprozess „gerade vom Tier auf natürliche Weise vollzogen wird, wenn der Mensch nicht physisch oder psychisch interveniert“.[1] Wie in der Geburt verläuft der Sterbeprozess „wellenartig durch Wehen“. Gleichzeitig schwindet die Physis, der Energiekörper („Ätherkörper“) vergrößert sich. Ein letztes Aufblühen vor dem Tode gehört zum Sterbe-prozess. Sie beschreibt den Sterbeprozess nach der buddhistisch-lamaistischen und der tibetanischen Sicht als schrittweise Auflösung eines Elements in das andere.
In der ersten Sterbephase ist das Tier noch bei vollem Bewusstsein, es nimmt am Leben teil und es frisst auch noch. In dieser Phase ist ersichtlich, dass das Tier krank ist und nicht mehr gesund wird. Es ist unmöglich, eine genaue Prognose zu stellen, Tierhalter schwanken zwischen Hoffnung und Aussichtslosigkeit. Die erste Phase ist dem Erdelement zugeordnet. Sonnenschmidt zufolge kann mit gelbem Licht energetische Nahrung gegeben werden und mit Orange kombiniert werden, das eine tiefgreifende Heilfarbe bei schwacher Physis ist. In der zweiten Phase verweigert das Tier die Nahrung und sucht für sich ruhige Plätze auf. Es ist die Auflösung von der Erde in Wasser, es bedeutet eine Auflösung stabiler Funktionen. Eine Weile nährt sich der Körper noch von seine Nährstoffdepots, aber dann erlahmt der Stoffwechsel und das Blut wird von Giftstoffen überflutet. Der Körper beginnt, nach Aceton zu riechen, was ein Zeichen der Auflösung der Materie ist. Das Tier fällt in einen apathischen, komatösen Zustand, man bekommt den Eindruck des Loslassens. In dieser Phase kann der Rand der Schnauze mit lauwarmem Wasser benetzt werden.[2] Sonnenschmidt setzt in dieser Phase blaues Licht für kurze Phasen (30 Minuten) ein, es hilft, wenig oder keinen Schmerz zu empfinden. Diese Phase kann ein paar Stunden, aber auch ein bis zwei Tage dauern. Blau ist die Farbe des „freien Fließens von Emotionen“, die Sinne des Tieres sind noch hellwach, deswegen ist es wichtig, dass der/die Besitzer:in ruhig und in liebevoller Annahme bleibt. „Das Tier braucht die Versicherung, dass wir es verstehen“. Nützlich sind Affirmationen durch den Besitzer wie „du darfst gehen, dann wenn es für dich stimmt“. Jaulen und Stöhnen bedeuten in dieser Phase eine Ablösung des elektromagnetischen Feldes vom Körper. In der dritten Phase löst sich „Wasser in Feuer“ auf. Es kann zu einem letzten Aufblühen kommen, ein nochmaliges Aufstehen wie wenn nichts wäre, für ein paar Minuten oder aber auch für Stunden. Herz und Kreislauf kommen für kurze Zeit auf Touren, physische Kräfte werden aufgebraucht. Die Feuerphase, die am schwierigsten „auszuhalten“ ist und in der Regel nicht sehr lange dauert, kann palliativ mit Schmerzmitteln begleitet werden, nach Sonnenschmidt ist dies aber nicht notwendig. Grünes Licht balanciert aus, auch kann mit Blau- und Orangelicht abgewechselt werden. Nach dem Sturm kommt in der vierten Sterbephase die Ruhe, das „Feuer löst sich in Luft auf.“ Physisch erlebt man einen schwachen Atem mit Betonung des Ausatmens und einer Pause vor dem Einatmen. Es kann auch ein flacher Hechelatem sein. Es macht sich das Gefühl einer natürlichen Erschöpfung breit. Hier ist die Farbe Grün angezeigt, die vollendete Harmonie bedeutet. Alle physischen Funktionen halten inne. Die Physis des Tieres wird kleiner, das Energiefeld weitet sich aus. Es kann violettes Licht eingesetzt werden. Es steht für Erhabenheit, Größe, Distanz zum irdischen. Es ist möglich, sein sterbendes Tier im Arm zu halten. Die vierte Sterbephase zeigt, dass sich das Tier endgültig für den Tod entschieden hat. Die fünfte Sterbephase ist der Übergang von der Luft-Phase in die Äther-Phase, die fast unmerklich passiert. Der Atem des Tieres wird immer kleiner. Sobald Atem und Herzschlag aufgehört haben zu schlagen, ist der Wandel in die energetische Ebene vollzogen. Physis und Energiekörper haben sich bereits etwas voneinander getrennt. Tiere trennen sich ab und bleiben „drüben“.[3] Im Gegensatz zu Menschen, bei denen die Trennung oftmals nicht so einfach ist, geschieht sie bei Tieren mit dem letzten Atemzug meist sehr eindeutig.[4] Es entsteht der Eindruck, das Tier schwebt über dem toten Körper oder im Raum. Es erscheint wie eine eigenständige Identität. Es ist wichtig, das soeben verstorbene Tier an seinem Platz zu lassen.[5] Es wird mit orangem Licht begleitet, ein „Symbol für die mögliche Wiederkehr im Morgenrot.“ Orange wirkt auch harmonisierend auf den Tierhalter. Trotz Verlust kann ein Gefühl der Zufriedenheit, Erhabenheit und des Glücks aufkommen, wenn alle Phasen des Sterbens zugelassen werden.[6] Ist die Luft- und Ätherphase erreicht worden, leiden weder Tier noch Mensch physisch, und der Begleitende erlebt „Neues an Kraft und Ausstrahlung vom Tier“. Wie Sonnenschmidt beschreibt, wird diese Phase durch eine Euthanasie künstlich abgekürzt. In der sechsten, „Nachtod“-Phase, sieht Sonnenschmidt die Zeit für den Tierhalter, der das Ableben des Tieres mit Ritualen gestalten und in eine Trauerarbeit gehen kann. In den tibetanischen Totenbüchern wird diese Phase nicht besonders hervorgehoben. Bachblüten wie Heather, Gorse, Honeysuckle oder die Notfeuertopfen aus Baumessenzen des Germanischen Baumkreises können Menschen dabei unterstützen.
[1] Sonnenschmidt, Rosina: „Alternativen zur Euthanasie in der Tiertherapie“, in: Striezel, Geriatrie in der naturheilkundlichen Tiermedizin, 2004, S. 93-109.
[2] Aus der Erfahrung mit Manú ergänze ich, dass spätestens in dieser Phase die Pfoten nicht mehr berührt werden sollten, ggf. sogar Körperkontakt gänzlich vermieden werden soll.
[3] Sonnenschmidt, S. 104.
[4] Ebda.
[5] Ebda.
[6] Dies hat mir auch die Besitzerin eines Hündin bestätigt, die ich begleitet habe.
Es gehört zu meiner Aufgabe, darüber zu informieren. Deswegen war es mir auch wichtig, dieses Thema in den kommenden Wochenend-Kurs zur Tierkommunikation am Kientalerhof zu integrieren. Ich werde ihn mit Barbara Elisa Brantschen, der Spezialistin für Aufstellungsarbeit und Trauma am Kientalerhof gemeinsam leiten. Man kann sich für dieses sicherlich bereichernde Wochenende noch anmelden. Eine genaue Beschreibung der Kursinhalte sind auf der Webseite des Kientalerhofes zu finden.
Mai - 1.Juni 2025
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